Kinder sprechen aus vielerlei Gründen nicht, einer der offensichtlichsten ist aber wohl der, dass sie nichts hören. Wird dein Kind mit einer Hörschädigung geboren, ist das Erlernen der gesprochenen Sprache, sowie das Sprachverständnis im Allgemeinen gar nicht so einfach. Meistens liegt eine körperliche Störung in den Hörorganen oder dem Gehirn selbst vor, die zu einer Einschränkung der Hörfähigkeit führt. Wie Eltern erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit erkennen können und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erfährst du hier.

Wann ist man gehörlos?

Von einer Hörschädigung wird im Allgemeinen gesprochen, wenn Kinder an einer dauerhaften Einschränkung ihrer Hörfähigkeit leiden, d.h. wenn sie nicht bloß auf Grund einer Erkältung oder einer Mittelohrentzündung schlecht hören, sondern über einen längeren Zeitraum den Anschein machen, dass sie das, was wir Eltern oder andere zu ihnen sagen nicht wirklich verstehen. Wenn wir „hören“ passiert in unserem Körper eine ganze Menge: Unser Ohr nimmt Schall auf und wandelt diesen in elektrochemische Signale um und leitet diese an unser Gehirn weiter. Dort entsteht dann der Sinneseindruck des Hörens. Meistens verbindet unser Gehirn gleich mehrere Informationen, z.B. Bilder und Gefühle und lässt so ein komplexes Bild entstehen.

Wenn unser Kind z.B. eine Gruppe Kinder sieht, die freudig tanzen, nimmt es die Geräusche drumherum als positiv auf und verbindet die Klänge der Musik gleichzeitig mit dem was es sieht und fühlt. Doch wenn es diese Verbindungen durch eine Schädigung in den Hörorganen oder im Gehirn, nicht knüpfen kann, dann ist seine Wahrnehmung gestört. Es wird die lustigen Lieder nicht mitsingen können oder kann vielleicht nicht nachvollziehen, warum die anderen wild herum hopsen, weil es selbst die Musik nicht hören kann.

Welche Formen der Hörschädigungen gibt es?

Bei einer Hörschädigung kann entweder eine Störung der Hörwahrnehmung vorliegen, dann sprechen wir von einer Zentral-auditiven Hörstörung oder es handelt sich um eine Art der Schwerhörigkeit, die nicht im Gehirn verankert ist, sondern durch eine Schädigung im Ohrbereich verursacht wurde. In Deutschland gibt es ungefähr 500 000 Kinder mit einer Hörschädigung. Diese kann verschieden ausgeprägt sein, in der Regel wird von drei Formen der Hörschädigung gesprochen:

  1. Zentral-auditive Hörstörung: Bei dieser Form der Hörstörung liegen keine körperlichen Fehlfunktionen vor, es ist das Gehirn selbst, dass den Schall und die gesendeten Sprachsignale nicht richtig verarbeiten kann.
  2. Schallleitungs- Schwerhörigkeit: Hier können Betroffene den Schall ebenfalls nicht korrekt wahrnehmen, nicht aber weil das Gehirn die Verknüpfung nicht macht, sondern, weil eine Störung im äußeren oder mittleren Ohrbereich vorliegt. Dadurch nehmen Kinder akustische Signale Stimmen und Laute viel leiser wahr.
  3. Schallempfindungsschwerhörigkeit: Einige Kinder nehmen Schall zwar wahr, doch durch eine Schädigung im Innenohr, wird dieser nicht richtig an das Gehirn weitergeleitet. Bei bestimmten Schallfrequenzen, z.B. sehr hohen Tönen kann es sein, dass dein Kind sie einfach nicht hört, bzw. z.B. Schwierigkeiten bei lauter Musik oder einzelnen Lauten hat.

 

Wie kommt es zu einer Hörschädigung? – Die Ursachen

Es gibt Kinder, die werden bereits gehörlos geboren, andere verlieren ihre Hörfähigkeit auf Grund einer körperlichen Schädigung, die im Kleinkindalter auftritt. Das Gehör ist ein sehr empfindliches Organ, deshalb gibt es viele Ursachen, die eine Hörschädigung bei deinem Kind auslösen können:

  1. Angeborene Gehörlosigkeit:
  • Bei einer Frühgeburt sind die Hörorgane möglicherweise nicht vollständig ausgebildet.
  • Viruserkrankungen in der Schwangerschaft, wie Mumps, Masern oder Röteln können beim Ungeborenem zu schweren Entwicklungsschäden führen.
  • Auch Alkohol oder Nikotin sind für Schädigungen im Mutterleib verantwortlich.
  • Wenn jemand in der Familie gehörlos ist, wird eine genetische Veranlagungen nicht ausgeschlossen.
  • Missbildungen im Ohr können auch die Höhr- und somit auch die Sprachfähigkeit beeinträchtigen.
  1. Erkrankungen im Kleinkindalter:
  • Sauerstoffmangel bei der Geburt oder dem Ertrinken kann dazu führen, dass das Gehirn nicht ausreichend durchblutet wird und einen bleibenden Schaden nimmt, der sich auf die Hörfähigkeit auswirkt.
  • Hirnhautentzündungen, sowie chronische Ohrenentzündungen sind häufige Ursachen für Hörschäden.
  • Sehr laute Geräusche (Unfallknall/Explosion) können auch zu einer Schädigung des Gehörs führen.
  • Andauernde Lärmbelästigungen und ein Wechsel von laut und leise wirken sich ebenfalls negativ aus. Deshalb sollten Kinder auf Festivals oder lauten Veranstaltungen immer Kopfhörer zum Schutz tragen.
  • Häufig sammelt sich bei Kindern auch Schleim im Mittelohr an, der die Hörgänge versperrt.

Woran du eine Hörschädigung bei deinem Kind erkennst?

Damit sich unsere Kinder gesund entwickeln können, ist es sehr wichtig eine mögliche Hörschädigung früh zu erkennen. Aus diesem Grund gibt es seit 2009 bereits bei Säuglingen im Rahmen der U-Untersuchungen ein erstes Hörscreening, um zu sehen ob eine Anomalie des Gehörs zu erkennen ist. Für uns Eltern allein ist es nämlich gerade im Kleinkindalter sehr schwierig selbst zu erkennen, ob unser Kind richtig hört und uns überhaupt versteht. In den ersten vier Lebensjahren muss unser Kind das Hören und Sprechen ja erst lernen. Die geistigen Verknüpfungen zwischen dem Gehirn, dem Ohr und den Sprechorgangen entwickeln sich erst nach und nach, deshalb ist es enorm wichtig auf erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit zu achten. Ist der natürliche Lernprozess durch eine Hörschädigung gestört, so bekommt das Gehirn deines Kindes nicht genügende Höreindrücke. Dadurch kann es die Sinneseindrücke nicht richtig verarbeiten und hat folglich Schwierigkeiten bei der Sprachentwicklung. Als Eltern sollten wir daher auf folgende Anzeichen achten:

  • Kommunikationsprobleme: Dein Kind reagiert nicht darauf, dass du es ansprichst. Es nimmt akustische Reize nur sehr schwach wahr und erschrickt nicht einmal bei einem lauten Geräusch. Generell hat es vielleicht Schwierigkeiten soziale Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Kindern zu verständigen. Es ist deshalb sehr zurückhaltend oder gar aufbrausend.
  • Schwierigkeiten mit der Sprache: Deinem Kind fällt es schwer Sätze richtig zu bilden und oft hat es nur einen geringen Wortschatz. Hinzu kommen oft Probleme mit der Einige Laute kann es z.B. gar nicht bilden und lässt sie komplett aus. Dadurch wird seine ganze sprachliche Entwicklung beeinträchtigt. Viele Kinder leiden in Folge dessen an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche.
  • Häufige Infekte: Wenn dein Kind sehr anfällig für Mittelohrentzündungen ist und oft an schweren Infekten im Hals-Nasen-Ohrenbereich leidet, sollte das Gehör unbedingt näher untersucht werden.

 

Welche Folgen hat eine Hörschädigung für dein Kind?

Sollten wir Eltern erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit bei unserem Kind beobachten, ist es gut den Kinderarzt darüber zu informieren. Dieser überweist den kleinen Patienten dann an einen Fachspezialisten zur näheren Untersuchung. Warum dies so wichtig ist? Wenn lange unbemerkt bleibt, dass dein Kind nicht hört, wird es sich auch sprachlich nicht altersgemäß entwickeln können.

  • Die Sprachentwicklung ist verzögert. Kinder, die Laute und einzelne Worte nicht richtig hören, können diese nicht nachsprechen, dadurch verkümmert ihr Wortschatz und meist ist auch der Satzbau falsch.
  • Die Persönlichkeitsentwicklung ist gefährdet. Kinder, die nicht hören, können auf das Gesagte nicht mit Sprache reagieren. Eventuell geben sie Laute von sich oder sprechen sehr undeutlich, doch eine rege Beteiligung an Gruppenaktivitäten mit Gleichaltrigen ist nicht immer möglich. Ihre Fähigkeit zu kommunizieren leidet. Einige ziehen sich eventuell in sich zurück, was psychosoziale Folgen für die Zukunft haben kann. Andere wiederum werden aggressiv, um so die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Ein Teufelskreis: Wenn dein Kind nicht gut hört, kann es folglich nicht richtig sprechen und kann sich nur beschränkt an Spielen und Gesprächen im Kindergarten oder in der Schule beteiligen. Ein eingeschränktes Hörvermögen zieht zudem weitere Folgen nach sich:

  • Keine Wahrnehmung von Geräuschen: Dein Kind nimmt akustische Reize aus der Umwelt nur beschränkt wahr, das kann vor allem im Straßenverkehr gefährlich werden.
  • Schwierige Kommunikation ohne Lautsprache: Deinem Kind fällt die Verständigung über Sprache schwer, es versteht Gesprochenes nicht und kann entsprechend nicht antworten. Da es einige Laute gar nicht hört, kann es diese auch nicht wiedergeben, dadurch ist das Gesagte undeutlich und wird von vielen auch gar nicht verstanden. Das beeinträchtigt seine sprachliche Entwicklung enorm.
  • Kulturelle Defizite durch Nichtverstehen: Hörgeschädigte Kinder, die in einem mehrsprachigen Haushalt aufwachsen und von ihren Eltern mehr als seine Kultur vorgelebt bekommen, haben es oft schwerer. Durch das Nichthören verstehen sie viele Informationen nicht und haben außerhalb des familiären Umfeldes Niemanden, der ihnen beispielsweise erklären kann, warum die polnische Oma freitags auf gar keinen Fall Fleisch isst oder wieso der persische Onkel keine Wienerwürstchen vom Schwein essen darf. Für die interkulturelle und emotionale Entwicklung brauchen gerade hörgeschädigte Kinder die Unterstützung ihrer Eltern und viel Geduld und Liebe.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Wenn eine Beeinträchtigung des Gehörs früh erkannt wird, können gravierende Folgen verhindert werden. Durch eine entsprechende Behandlung kann vielen Kindern dabei geholfen werden ihr Hörvermögen wieder zu erlangen, zu verbessern oder zu lernen sich über andere Wege der Kommunikation zu verständigen.

  1. Hör- und Sprachübungen: Kindern, die empfindlich auf Schall und zu hohe Laute reagieren kann ein Hörtraining oder eine Hör-Sprach-Erziehung durch einen Facharzt, Heilpädagogen oder Logopäden helfen. Der Therapeut fördert die auditive Wahrnehmung des Kindes und zeigt ihm, wie es mit den sprachlichen Defiziten umgehen und sich eventuell über andere Strategien austauschen kann.
  2. Medizinischer Eingriff: Bei manchen Kindern ist ein kleiner operativer Eingriff notwendig. Oft muss Schleim, der sich im Mittelohr ansammelt, abgesaugt werden, wenn sich die Flüssigkeit nicht durch Medikamente behandeln ließ. Sind die Gehörgänge verklebt helfen auch sog. „Paukenrohrchen“, die eingesetzt werden und sich in der Regel verwachsen, bzw. herausfallen
  3. Technische Hilfsmittel – Hörgeräte: Haben Kinder Schwierigkeiten den Schall richtig zu verarbeiten wird geschaut, ob der Hörnerv im Innenohr selbst noch funktionsfähig ist. Wenn ja kann ein „Cochleaimplantat“, das ins Innenohr gepflanzt wird, dafür sorgen, dass die Hörfähigkeit sich deutlich verbessert, weil auch die Lautstärke reguliert werden kann. Es besteht aus einem Mikrophon mit Sensor und Sendespule, die am Hinterkopf befestigt wird. Viele Hörgeräteakustiker sind auf die Versorgung von Kindern Das Einstellen und das Gewöhnen an die Hörhilfe können zwar dauern, aber nach nur kurzer Zeit wird dein kleiner Liebling ganz vergessen, dass er die kleinen Plastiksicheln hinterm Ohr hat und es genießen, richtig hören zu können.
  4. Alternative Kommunikationsstrategien – Gebärdensprache: Wer gehörlos geboren wurde ist nicht automatisch auch stumm. In der Tat verzichten einige aber auf das Sprechen, weil es ihnen schwerfällt. Glücklicherweise gibt es auch andere Wege, um mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren, wie etwa die Gebärdensprache. Mit Hilfe von bestimmten Zeichen und Gesten ist es gehörlos Geborenen möglich sich mit ihrem Umfeld zu verständigen. Vorausgesetzt dieses beherrscht ebenfalls die Gebärdensprache. Einige Beispiele dazu findest du in unserem Beitrag: Stumm geboren. Dort findest du auch weitere Tipps zu Methoden, wie du mit dem Nichtsprechen deines Kindes umgehen kannst.

Dass mit Gebärden sprechen zu lernen ganz schön cool sein kann, zeigt Laura M. Schwengber. Sie hat im Auftrag von ARD und N-Joy Songs von bekannten Künstlern, wie Silbermond übersetzt und zeigt damit, dass Musik auch Menschen mit Hörschädigung richtig glücklich machen kann.

Was wir als Eltern tun können?

Am aller wichtigsten ist aber, dass du deinem Kind das Gefühl vermittelst, dass du es liebst und unterstützt. Nur dann kann es sich gesund entwickeln und zu einem selbstbewussten Kind und Erwachsenen werden, ohne dass seine Persönlichkeit unter der Hörschädigung und den sprachlichen Defiziten leidet.

Tipps, wie du dein Kind beim Sprechen fördern kannst findest du in unserem Übersichtsartikel zum Thema warum Kinder nicht sprechen.