Ob Kinder eine Zweitsprache früher besser lernen als später und welche Effekte dies auf die Gehirnentwicklung hat, wurde vielseitig erforscht. Dass sie Vorteile überwiegen, darin sind sich Wissenschaftler, Entwicklungspsychologen und nicht zuletzt Eltern, die ihre Kinder bilingual aufwachsen lassen, einig.

Gehirnentwicklung im Kleinkindalter

Laut namhafter Professoren macht das Heranführen an eine Zweitsprache zwischen drei und fünf Jahren besonders Sinn. Kinder lernen in dieser Zeit am leichtesten. Die Entwicklung des Gehirns spielt hier eine wesentliche Rolle. Der Linguist Georges Lüdi ist der Meinung, dass die entscheidende Grenze mit dem vierten Geburtstag überschritten wird. Zuvor entwickeln sich neuronale Netze im Gehirn, welche Sprachen verarbeiten. Dort werden auch später erlernte Fremdsprachen umgesetzt. Das heißt, die entstandene Infrastruktur wird für jede weitere Sprache genutzt. Kommt ein Kind erst später mit Sprachen in Berührung, legt das Gehirn für jede neu erlernte ein neues Netzwerk an, was langwieriger ist.

Die Entwicklungspsychologin Brigitte Rollett hingegen vertritt die Ansicht, dass Kinder nicht schneller lernen, wenn sie frühzeitig mit einer Zweitsprache in Berührung kommen. Das kindliche Gehirn befindet sich in der Entwicklung und muss sich erst ordnen. Die existierenden zwei Sprachzentren bilden erst mit der Zeit eine stabile Verknüpfung. Was Kinder bzgl. Fremdsprachen allerdings besser lernen, ist die Aussprache. Deshalb klingen sie häufig wie Muttersprachler.

Tagtägliche Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Kinder sowohl mehrere Sprachen gleichzeitig als auch erst die eine und dann eine andere Sprache lernen können. Die entscheidende Erkenntnis dabei ist, je früher ein Kind damit beginnt eine zweite Sprache zu lernen, desto leichter fällt es ihm.

Alltagsnah und ohne Leistungsdruck

Einig sind sich Forscher oder wissenschaftlich Beteiligten ebenso, wenn es um die die Art und Weise des Lernens geht. Generell ist es empfehlenswert, die Kinder sachte und in einem natürlichen Kontext an die Zweitsprache heranzuführen. Sie sollte wie automatisch in den Alltag einfließen und spielerisch erlernt werden, damit das Entdecken und der Spaß im Vordergrund stehen.

Sobald Kinder unter Druck geraten, weil Eltern beispielsweise Vokabeln abfragen oder die Leistung anderweitig im Fokus steht, verdirbt das häufig die Motivation der Kleinen.

Der Diskussionen über den Wortschatz zweisprachiger Kinder nimmt Prof. Rosemarie Tracy von der Universität Mannheim den Wind aus den Segeln. Sie weiß, dass der Wortschatz im Gegenteil zu einem monolingualen Kind je Sprache vielleicht kleiner ist, in der Summe beider Sprachen jedoch wieder gleich. Die Italienerin Frederike, deren Kinder zweisprachig aufwachsen, weiß aus der Praxis, dass die Einflüsse von Medien sowie die Gespräche den Wortschatz der jeweiligen Sprache bilden. Das heißt, dass in einer Sprache themenbezogenes Vokabular vorhanden sein kann, was in der anderen nicht ausgeprägt ist. Spricht der deutschsprachige Vater mit den Kindern häufig über Musik, kennen diese vorerst nur die deutschen Begriffe. Beide Frauen wissen, dass sich das mit der Zeit gibt und die Kinder das vermeintliche Defizit aufholen.

Frederike empfindet das zweisprachige Aufwachsen generell als ein großes Geschenk, was man seinen Kindern für die Zukunft mitgibt.

Positive Wirkung für das ganze Leben

Unterschiedliche Experten liefern also gute Gründe für das frühzeitige Heranführen an eine Zweitsprache, die häufig Englisch ist.

Als Weltsprache bestimmt sie bereits unseren Alltag und das Berufsleben, weil sie als Wirtschafts-, Computer- und Wissenschaftssprache bereits etabliert ist. Die nächste Generation wird noch intensiver damit konfrontiert.

Das selbstverständliche Interesse für andere Kulturen und der damit zusammenhängenden Weltoffenheit, formt besonders die soziale Kompetenz. Verschiedene Experimente stellten auch eine besonderes Empathievermögen fest, welches auf die Gehirntätigkeit durch Mehrsprachigkeit zurückzuführen ist.

Was das Erlernen anderer Fremdsprachen während der schulischen Laufbahn oder generell im späteren Leben angeht, besitzen mehrsprachige Kinder eine höhere Auffassungsgabe.

Wissenschaftlich erwiesen ist außerdem, dass bilinguale Kinder bessere Fähigkeiten besitzen, wenn es um Analyse und Konzeption geht, da frühzeitig die Intelligenz angeregt wird. Dies gilt übrigens auch für kreatives Denken.

Die ursprüngliche Fragestellung kann wohl mit „so früh wie möglich“ beantwortet werden. Ob Kinder direkt von Geburt an oder erst im Laufe des Kleinkindalters mit Erst- und Zweitsprache konfrontiert werden, jede Variante des frühzeitlichen Heranführens bringt positive Effekte mit sich. Einerseits lernen die Kleinen Sprachen quasi nebenbei und in jedem Fall fördert es ihre methodischen wie sozialen Fähigkeiten und wirkt sich somit positiv auf ihr späteres Leben aus.

Deshalb lest ihr im nächsten Artikel mit welchen einfachen Mitteln ihr die englische Sprache in euren Alltag einbindet, um sie euren Kindern geläufig zu machen.