Dein Kind erzählt und quatscht gerne, doch sobald jemand Fremdes in den Raum kommt,  hüllt es sich in Schweigen. Das passiert auch im Kindergarten oder wenn es in der Öffentlichkeit steht? Es möchte nicht sprechen, obwohl es die sprachlichen Fähigkeiten längst erworben hat? Dann leidet es vielleicht an Mutismus.

Wie äußert sich Mutismus bei einem Kind?

Kinder, die mutistische Züge aufzeigen sind körperlich meist völlig gesund. Weder ihr Gehör noch ihre sprachlichen Fähigkeiten sind beeinträchtigt. Jedoch sind sie in bestimmten Situationen oder bei Personen, die ihnen fremd sind, nicht in der Lage ihre Gefühle zu äußern. Sie werden stumm (lat. mutus). Es handelt sich um eine psychologische Störung, die zu Verzögerung der Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung führen kann.

Welche Arten von Mutismus gibt es?

Selektiver Mutismus:

Der Begriff bezeichnet Kinder, die bewusst auswählen, bei wem sie sprechen und bei wem nicht. Außerhalb ihres vertrauten, familiären Umfeldes verstecken sie sich gerne hinter dem Rücken ihrer Mutter oder antworten nur mit leiser Flüsterstimme. Zu Hause verhalten sie sich ganz normal. Gerade deshalb fällt vielen Eltern das  zurückhaltende Verhalten ihres Kindes meist erst auf, wenn es in den Kindergarten kommt.

Totaler Mutismus:

Manche Kinder verschließen sich nach einem traumatischen Erlebnis auch komplett, dann spricht man von totalem Mutismus. Es ist nicht leicht Erlebnisse, wie z.B. Missbrauch in Worte zu fassen. Kindern kommt erschwerend hinzu, dass sie noch nicht einmal über das Vokabular verfügen, um das Schock- Erlebnis und die dadurch verursachte Angst zu beschreiben.

Wann tritt Mutismus bei einem Kind typischerweise auf?

Erste mutistische Züge fallen meistens im Vorschulalter auf.  Mit dem Kindergarteneintritt verlässt unser Kind sein vertrautes Umfeld und hat allerlei neue Erfahrungen zu verarbeiten: Alles ist anders, es gibt neue Regeln, viele Fremde Personen und Stresssituationen, mit denen es nun tagtäglich zu tun hat.

Erzieher und Lehrer werden als erste darauf aufmerksam, wenn ein Kind nach den ersten Wochen der Eingewöhnung immer noch keinen oder nur sehr wenig Kontakt zu den anderen hat. In der Regel bekommen die Eltern nach 4-8 Wochen den Rat sich professionelle Unterstützung zu suchen. Oft wird Mutismus nämlich mit Schüchternheit oder störrischem Verhalten fehl gedeutet, weil das Kind sich zu Hause ja normal verhält. Das kann dazu führen, dass die Störung bis ins Erwachsenenalter andauert und sich verstärken, bis hin zu Panikattacken.

Welche Ursachen hat Mutismus bei einem Kind?

Manchmal bekommen Kinder dieses Verhalten sozusagen vererbt. Man spricht von sog. Milieueinflüssen, wenn Kinder Eltern haben, die selbst mit einem geringen Selbstvertrauen zu kämpfen haben. Besteht zudem eine enge Symbiose zwischen Mutter/Vater und Kind, dann lösen bereits kleine Veränderungen oder die  Trennung von der Bezugsperson massiven  Stress für das kleine Wesen aus.

Generell sind Spannungen in der Familie oder aber mit dem betroffenen Kind häufige Ursache für das Ausbleiben des aktiven Sprechens. Werden seine Mitteilungsversuche immer wieder mit lauter Stimme oder einem dominanten Befehlston unterdrückt, wird das Stillsein sozusagen anerzogen. Das kann auch unbewusst passieren, wenn unser Kind z.B. in einen Ehestreit hinein gerät und dann mit den Trennungsfolgen zu hadern hat. Solche Schock- Erlebnisse haben nicht selten traumatische Folgen.

Auch bei Kindern mit einem Migrationshintergrund kann ein Kulturschock dazu führen, dass sie sich verschließen. Kinder, die z.B. noch kein Deutsch verstehen, können sich durch die Sprachbarriere im Kindergarten oder der Schule missverstanden und isoliert fühlen und sich ebenfalls ins Schweigen flüchten.

Welche Symptome bei Kindern zu beobachten sind:

  • Schwierigkeiten mit anderen in Kontakt zu treten. Es reagiert meist verzögert, antwortet gar nicht oder nur in Flüsterton.
  • Das Schweigen dauert bereits länger als 4-8 Wochen.
  • Steife Körperhaltung, Kneten der Hände und starrer Blick.
  • Mangelnde mündliche Teilnahme wird mit schriftlichen Leistungen rekompensiert.

Keine Angst, wenn dir bei deinem Kind eines oder mehrere der aufgelisteten Symptome auffallen. Wissenschaftlichen Untersuchungen zur Folge sind ca. 0,7 % von einem partiellen Schweigen betroffen (Brown 2005). Mutismus ist behandelbar, meist helfen schon ein paar Beobachtungs- und Therapiestunden. Der Verein StillLeben e.V. Hannover bietet online die Möglichkeit einen Mutismus-Test (DMT-KoMut) zu machen.

Warum du handeln solltest – Mögliche Folgen:

Das Problem an dieser Art der Sprachstörung ist, dass sie die soziale Entwicklung deines Kindes negativ beeinflussen kann. Während Gleichaltrige im Kindergarten gemeinsam Spiele spielen und durch Fragen ihr Wissen und auch ihre Persönlichkeit weiter entwickeln, bleibt ein Kind mit Mutismus auf der Strecke.

 

Wie kannst du mit dem Nicht-Sprechen deines Kindes umgehen?

Es gibt Möglichkeiten, wie du deinem Kind dabei helfen kannst, besser zu Recht zu kommen:

1. Bringe viel Geduld mit – nur keinen Druck ausüben:

Das wichtigste ist „Geduld“. Es kann dauern bis unser Kind sein schweigsames Verhalten ändert. Ein „Nein“, ist schon ein riesen Erfolg, weil seine Abwehrhaltung in einem Wort artikuliert. Und irgendwann kommt dann auch ein erstes „Ja“, wenn andere Kinder es fragen, ob es mitspielen möchte. Wichtig: Versuche nicht für dein Kind zu antworten, sondern warte bis es selbst reagiert, auch wenn es dann ggf. gar nicht antwortet.

2. Interveniere in Stresssituationen

Wenn dein Kind von Fremden angesprochen wird, gerät es in eine Stresssituation und reagiert zurückhaltend, dies kann auch auf Seiten der fragenden Person Verunsicherung hervorrufen. Diese wirkt sich dann erneut auf das Kind aus, weil es merkt, dass Jemand auf sein Verhalten mit Entrüstung oder gar mit Nachdruck reagiert und es zu einer Antwort nötigt. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.

TIPPS:
  • Vielleicht kannst du dich zu deinem Kind hinwenden und es leise fragen, ob es antworten mag und wenn es das nicht möchte, ist das auch okay.
  • Du kannst deinem Kind z.B. beschreiben, wie es ihm gerade geht und was es gerade wahrnimmt (wie eine Art Erzähler). Auch wenn es nicht stimmt, es ist wichtig die Situation zu dokumentieren und in Worte zu fassen, um zu zeigen, was machbar ist.
  • Erlaube deinem Kind zu Flüstern, dadurch kann es Antworten ohne aus seiner sicheren Verdeckung hervortreten zu müssen. Hauptsache es nimmt an dem sozialen Leben Teil.

 

3. Erzähle etwas Persönliches:

Am besten lernt dein Kind, wie es Emotionen ausdrücken kann, wenn es Jemanden hat, den es als Vorbild nehmen kann. Wenn es wiedermal zu einer Stresssituation gekommen ist und dein kleiner Schatz kein Wort über die Lippen bringen konnte, kannst du zu Hause, wo es sich sicher fühlt über die Situation sprechen. Vielleicht hast du als Kind ähnliche Erfahrungen gemacht, dann erzähle es deinem Kind. Kinderpsychologen sehen in dieser Herangehensweise das ideale Modell, damit unsere Kinder lernen, dass sie Gefühle artikulieren und ihr Innenleben durch Sprache darstellen können.

Fazit:

Meist sind gerade mutistische Kinder ganz begierig darauf ein Mittel zu finden, sich besser verständigen zu können. Und wer könnte da ein besseres Vorbild sein als seine wichtigsten Bezugspersonen: Wir Eltern. Gern kannst du auch den Erfahrungsbericht von Jennifer lesen. Sie setzte Lingufino bei ihrem Kind ein.

Wenn du mehr dazu erfahren möchtest warum Kinder nicht sprechen, könnte dich unsere Artikelreihe zu dem Thema interessieren. Neben den häufigsten Diagnosen geben wir dir auch eine Handvoll Tipps, wie du dein Kind zu Hause dabei unterstützen kannst, sich sprachlich und geistig gesund weiterzuentwickeln.