Der dritte und letzte Teil dieser Serie beschäftigt sich mit den Entwicklungsschritten der kindlichen Sprache bis zum fünften Lebensjahr. Der vorherige Teil befasste sich mit den ersten tatsächlichen Worten, welche sich jetzt im weiteren Verlauf zu ganzen Sätzen mit komplexeren grammatischen Strukturen entwickeln.

Die kindliche Sprachentwicklung vom 2. bis zum 3. Lebensjahr

Ab dem Zeitpunkt des ersten Lebensjahres legen Kinder beim Erlernen von neuen Wörtern den Sport-Gang ein. Zum 18. Monat beherrschen sie bereits zwischen 20 und 50 Wörter. Ab diesem Zeitpunkt folgt ein kontinuierlicher sprachlicher Sprint und Kinder lernen jede Woche bis zu zehn neue Wörter und erreichen bis zum Abschluss des 2. Lebensjahres einen Wortschatz zwischen 200 und 300 Wörtern.

Mit dem Beginn des dritten Lebensjahres bilden sich nun auch die Anfänge von Satzbau heraus. Jedoch beginnt dieser meist mit der Bildung von kombinierten Substantiven. So könnte das Auto vom Vater jetzt nicht mehr nur das “Ato” sein (Kinder haben zu diesem Zeitpunkt oft noch Probleme mit Doppelvokalen), sondern das “Papa Ato”. Das Kind versteht nun auch den Imperativ. So kann es durchaus einfache Aufforderung wie “Hol‘ deine Schuhe!” verstehen, aber es kann dabei noch öfter zu Missverständnissen kommen, denn Verständigung basiert noch viel auf dem Prinzip von “Versuch und Irrtum”. Dicht gefolgt wird diese Entwicklung dann vom Bau echter Zweiwort-Sätze wie zum Beispiel “Mama hilf!”. Diese Sätze können auch schon Fragen beinhalten wie “Wo Wau-Wau?”. Fragen sind in diesem Alter besonders wichtig; nicht nur für das Sprachverständnis, sondern auch für das Weltverständnis. So kann man ab diesem Alter sehr oft die Frage “Warum?” hören.

Im Alter von zweieinhalb Jahren kann das Kind jetzt sogar schon drei bis vier Wörter in einer Satzform benutzen. Zu beachten ist allerdings, dass das Kind jetzt langsam anfängt, grammatische Strukturen selbst zu lernen. Dieser Übergang von Imitation zu Eigenproduktion führt oft auch zu einem kurzen Rückschritt, weil das Kind oft überkompensiert und eine neu erlernte Regel für alles anwendet und vorher gelernte Sonderfälle missachtet. Aber auch die Aussprache entwickelt sich weiter. So können jetzt auch die Rachenlaute r, k und ch problemlos ausgesprochen werden.

Es ist ab diesem Zeitpunkt schwer festzustellen, wie groß das Vokabular ist, denn Kinder lernen neue Wörter jetzt fast in Echtzeit. Daher ist es gerade in diesem Lebensabschnitt sehr wichtig, dass das Kind sehr oft mit neuen Sachverhalten konfrontiert wird.

Bis zum Abschluss des dritten Lebensjahres lernen Kinder Sätze zuerst mit “und” zu verbinden. Für kompliziertere Satzverbindungen dauert es meistens noch bis ins Grundschulalter. Es kommen nun auch neue Fragen auf. Denn Kinder fragen jetzt auch danach “Wie” etwas funktioniert und versuchen die gezeigten Dinge nachzuahmen. Auch laut-technisch geht die Entwicklung weiter voran. Kindern fällt es jetzt zunehmend leichter, Doppelkonsonanten wie br, kr und bl auszusprechen. Bei diesen wurde vorher meistens einer von beiden Konsonanten, oder gar beide, nicht ausgesprochen.

Die kindliche Sprachentwicklung vom 4. bis zum 5. Lebensjahr

Eines der wichtigsten Entwicklungen des vierten Lebensjahres besteht im Nutzen von Zeitformen. Kinder verstehen jetzt nicht mehr nur Vergangenheit und Zukunft, sondern versuchen diese auch selbstständig einzusetzen. Zudem lernen sie jetzt die korrekten Pronomen für Gegenstände und Personen. Interessant ist auch, dass Kinder ab diesem Alter immer weniger Gestik benutzen, um etwas zu beschreiben. Stattdessen verwenden sie dafür direkte Worte.

Im fünften Lebensjahr sind jetzt auch die letzten Probleme mit der Lautbildung verschwunden und es können auch Zischlaute (Frikative) wie z, ß und s ohne weitere Probleme benutzt werden. Damit ist die Fähigkeit zur Lautformung jetzt komplett ausgebildet. Im fünften Lebensjahr wird auch ein Farbverständnis entwickelt. Es werden jetzt nicht mehr nur Grundfarben verwendet, sondern es können auch Abstufungen von diesen benannt werden. Kinder nutzen diese Vielfalt von sprachlichen Elementen nun auch dazu, um Geschehnisse möglichst detailgetreu wiederzugeben. Jetzt machen sie auch ihre ersten Versuche, komplexere grammatische Formen wie das Passiv zu bilden.

Das Abenteuer des Lernens der Muttersprache ist damit selbstverständlich nicht abgeschlossen. Alle grammatischen Formen, bei denen das Kind erst mit dem großen Zeh eingetaucht ist, werden jetzt gemeistert. Dies geschieht mit dem Eintritt in die Grundschule jedoch in einem wesentlich gelenkteren Prozess.

Lesen Sie hier auch, wie die kindliche Sprachentwicklung im 1. Lebenshalbjahr eines Kindes beginnt, und
was die kindliche Sprachentwicklung im 2. Lebenshalbjahr leistet.