„Wenn ich groß bin, mache ich es anders“. Diesen Satz sagen sich viele Kinder, die schlechte Erfahrungen gemacht haben. Vielleicht hast du ihn auch schon mal gesagt. Doch was ist, wenn wir auf einmal selbst diejenigen sind, die unser Kind anschreien oder gar ignorieren? Dann ist es Zeit darüber nachzudenken, was uns selbst als Kind geprägt hat und wie sich unsere eigenen Kindheitserfahrungen auf unser erwachsenes Leben ausgewirkt haben. Damit wir es besser oder zumindest wirklich anders machen können.

Welche Kindheitserfahrungen prägen uns als Erwachsene

Wir möchten für unsere eigenen Kinder ein schönes und geborgenes Heim schaffen, einen Ort, an dem sie unbeschwert und glücklich aufwachsen können. Aber auch wir sind nicht unfehlbar. Zu oft werden wir von unseren eigenen Kindheitserinnerungen und Erfahrungen beeinflusst. Wichtig ist, dass wir als Eltern unser Verhalten immer wieder reflektieren, als Mutter und Vater darüber sprechen und uns darüber Gedanken machen, was uns als Kind positiv und vor allem auch negativ geprägt hat. Denn nur so können wir die Beziehung zu unserem Kind bewusst positiv lenken und dafür sorgen, dass unsere schlechten Kindheitserlebnisse nicht an die nächste Generation weitergegeben werden.

Es gibt mehrere Faktoren, die in wissenschaftlichen Studien untersucht worden sind und belegen, dass unangenehme Erlebnisse im frühen Kindes- und Jugendalter dazu führen können, dass unser eigenes Kind später mit Depressionen zu kämpfen hat, eventuell aggressiv oder gar bindungsunfähig wird. Welche Kindheitserfahrungen dies sind und was wir tun können, um negative Auswirkungen zu verhindern, haben wir für euch im Folgenden zusammengestellt.

 

Was passiert, wenn du deinem Kind zu wenig Zeit widmest?

Im Englischen gibt es den Spruch: „Family time is Quality Time“, das bedeutet, die Zeit, die du mit deiner Familie verbringst, wertvoll ist, bzw. sein sollte. Im Alltag passiert es leider viel zu oft, dass ein Telefonat oder die herumliegende Wäsche uns und unsere Gedanken einnehmen. Wir sehen und hören unserem Kind nicht zu, wenn es gerade von etwas erzählt. „Da ist eine Biene in meinem Zimmer“, sagt unser Schatz und wir schieben es beiseite und schicken es wohlmöglich sogar genervt weg. Was uns in dem Moment als eine unwichtige Information vorkommt, ist für unser Kind wohlmöglich der Versuch uns etwas Wundervolles zu zeigen. Eine Biene mag uns banal vorkommen. Für unser Kind, das die Welt gerade erst entdeckt, ist es wahrscheinlich etwas Faszinierendes, dass es mit uns teilen möchte. Oder es hat Angst davor uns sucht unsere Hilfe. Indem wir es ignorieren oder gar wegschicken vermitteln wir ihm aber das Gefühl, dass es uns nicht interessiert. Unser Kind wird vor den Kopf gestoßen, es versteht nicht, warum wir es nicht ernst nehmen und interpretiert daraus im Schlimmsten Fall, dass es als Mensch nicht wichtig genug für uns ist.

Dein Kind braucht deine Aufmerksamkeit

Dasselbe passiert, wenn dein Kind tun und lassen kann was es will. Klar ist das im ersten Moment großartig, wenn Eltern nicht sofort auf die Barrikaden gehen und das Kind z.B. stundenlang auf dem Spielplatz verbringen darf. Doch irgendwann wird es sich fragen, ob ihr euch denn keine Sorgen macht und warum. Ist es euch nicht wichtig genug? Kinder, die mit Verboten aufwachsen neigen vielleicht dazu irgendwann zu rebellieren und ihre Grenzen auszutesten, aber in so einem Fall können Eltern mit ihrem Kind über den Sinn eines Verbotes sprechen, wie z.B.: „Du darfst nicht allein auf der Straße spielen, weil das gefährlich ist. Was wenn dich ein Auto anfährt? Wir machen uns Sorgen, weil wir dich liebhaben.“ Auch eine Art Strafe ist okay, wenn das Kind versteht, warum es etwas nicht darf.

Nichts sagen oder gar schweigen ist viel schlimmer, da wir unserem Kind damit unbewusst signalisieren, dass es uns nicht wichtig genug ist.

Kinder brauchen Regeln und Grenzen. Kinder, die zu wenig Aufmerksamkeit von ihren Eltern bekommen versuchen diese mitunter durch schlechtes Verhalten auf sich zu ziehen. Ein Teufelskreis. Im Erwachsenenalter kann dies zu Depressionen oder gar Minderwertigkeitskomplexen führen. Eine Studie zu Verhaltensweisen, die von Eltern auf ihre Kinder übergehen (British Columbia Universität,2014) hat ergeben, dass Kinder, die in ihrer Erziehung vernachlässigt worden sind, später eine zerrissene Persönlichkeit entwickeln können.

Nimm dir bewusst Zeit für dein Kind

Wenn wir voll berufstätig oder gar allein erziehend sind, kann die Zeit für unser Kind ungewollt knapp werden, umso wichtiger, dass wir uns bewusste Eltern-Kind-Zeit einräumen. Sag deinem Kind, dass du jetzt noch etwas Wichtiges erledigen musst und im Anschluss Zeit für es hast. Zeige ihm z. B. auf der Uhr, dass du kommst, sobald der Zeiger auf der drei steht. So weiß dein Schatz, dass es ernst genommen wird nur etwas warten muss. Aber ganz wichtig: Nimm dir dann auch die Zeit, auch wenn es nur eine halbe Stunde ist, um Einhörner zu malen oder Bauklötze zu stapeln. Nichts prägt schlimmer, als nicht eingelöste Versprechen. US-amerikanische Kinderpsychologen fanden heraus, dass Kinder von distanzierten Eltern später häufig emotionale Schwierigkeiten haben, sich selbst sozial ausgrenzen oder sogar Angststörungen entwickeln können.

 

Welchen Einfluss hat die Vater-Kind-Beziehung auf die spätere Partnerschaft?

Eine andere Untersuchung aus dem Jahr 2007, die im Bericht der Columbia University erwähnt wird hat ergeben, dass die Beziehungen, die wir im Erwachsenenalter eingehen sehr stark davon beeinflusst seien, wie unser eigenes Vater-Kind-Verhältnis in der Kindheit gewesen ist. Wenn du als Vater zum Beispiel sehr liebevoll mit deiner Tochter oder deinem Sohn umgehst, wird das dein Kind nachhaltig prägen. Dieses gute Gefühl der Geborgenheit speichert unser Kind im Unterbewusstsein ab und wird als Erwachsener ebenfalls sehr liebevoll mit dem/der Partner/in umgehen. Wenn wir uns unserem Kind gegenüber jedoch sehr kühl oder aggressiv verhalten, wird auch dies sich auf seine Beziehungen auswirken und vielleicht dazu führen, dass es unfähig ist gesunde und feste Beziehungen einzugehen. Kinder, die beispielsweise ohne Vater aufwachsen entwickeln manchmal ein ganz anderes oder sogar verstärktes Rollenverständnis und suchen sich im Umkreis eine andere väterliche Ersatzfigur. Bei Mädchen kann dies dazu führen, dass sie sich beispielsweise zu wesentlich älteren Männern hingezogen fühlen. Die Verhaltenspsychologen fanden auch heraus, dass Mädchen beispielsweise zu weniger emanzipierten Frauen werden, wenn ihre Väter Gleichberechtigung in der Familie nicht vorleben.

 

Wie wirkt sich Missbrauch auf die Kindesentwicklung aus?

Wissenschaftler der medizinischen Fakultät der Bosten Universität haben in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass Frauen, die im Kindesalter sexuellen Missbrauch erlebt haben als Erwachsene an psychischen, wie körperlichen Folgen zu leiden haben. Den Ergebnissen zur Folge leiden rund 30% der Befragten häufiger an Fettleibigkeit als Personen, die das Glück hatten, ohne Missbrauch aufzuwachsen. Bei Jungen liege das Risiko für eine Ess-, bzw. Zwangsstörung sogar bei 66%. Das Essen rekompensiere eine Art Leere, die bei Menschen entstehen kann, die als Kind großes Leid erfahren haben. Schlechte Gefühle werden einfach im wahrsten Sinne runtergeschluckt. Süßigkeiten und fettigem Essen erzeugen Glückshormone, die graue Gedanken verjagen.

Wenn dir oder gar deinem Kind solch schlimme Erfahrungen nicht erspart geblieben sind, ist psychologische Hilfe ratsam (ohne falsche Scham). Auch wenn sich solche Wunden nie ganz versschließen lassen, wir können lernen damit umzugehen, bzw. unser Kind dabei unterstützen, trotz alledem zu einem glücklichen Erwachsenen heranzuwachsen.

Tipps zur Bewältigung von Missbrauchserfahrungen:

  • Gehe gemeinsam mit deinem Kind zu einem Kinderpsychologen. Mit Fremden darüber zu sprechen fällt Kindern manchmal leichter, als mit den eigenen Eltern. Sei nicht enttäuscht, sondern zeige deinem Kind einfach, dass du es liebst und unterstützt. Ein Mädchen fühlt sich vielleicht bei einer Ärztin wohler.
  • Der Besuch eines Malkurses oder einer Musiktherapie kann dir und deinem Kind helfen die aufgestauten Emotionen auszudrücken und abzubauen. Es gibt Dinge, die wir nicht aussprechen können, aber die gesagt werden müssen, sei es durch die Sprache der Musik oder durch Kunst.
  • Wenn deine Tochter oder dein Sohn mit künstlerischen Tätigkeiten nicht viel anfangen können, ist auch der Besuch eines Selbstverteidigungskurses eine Möglichkeit, nicht nur Sport zu treiben und ein gutes Körpergefühl zu bekommen, sondern es stärkt auch das Selbstvertrauen und hilft dabei Sicherheit wieder zu erlangen.

 

Was Mobbing mit Kinderseelen macht?

Das Selbstvertrauen deines Kindes zu stärken gehört zu den wichtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben, die wir als Eltern haben. Auch wenn wir selbst nicht gerade auf den Mund gefallen sind, kann es durchaus sein, dass unser Kind nach dem Kindergarten oder der Schule nach Hause kommt und uns erzählt, dass es geärgert oder gemobbt wurde. Jetzt ist der Moment, wo wir meist vor einer großen, weißen Wand der Ratlosigkeit stehen. Jetzt musst du handeln, denn Kinder, die gemobbt werden, verlieren sich schnell in einem selbst geschaffenen Schutzmantel aus Schweigen oder driften in Randgruppen ab. Langzeitstudien haben ergeben, dass Kinder, die gehänselt werden als Erwachsene Schwierigkeiten mit ihrem Selbstvertrauen haben und zu Depressionen neigen. Viele verletzen sich auch selbst, um den seelischen Schmerz zu übertünchen.

Tipps, wie du deinem Kind helfen kannst:

  • Lobe dein Kind für Erfolge, aber auch dafür Schwächen und Ängste einzugestehen. Lache es nicht aus, sprecht darüber, damit zeigst du ihm, dass es dir wichtig ist. Es fühlt sich ernst genommen und lernt die Meinungen anderer zu respektieren.
  • Akzeptiere die Individualität deines Kindes. Es muss weder deinen noch den Erwartungen anderer entsprechen. Erkläre ihm aber, warum andere vielleicht Schwierigkeiten damit haben und deshalb verletzend reagieren.
  • Zeige Interesse am Leben deines Sprösslings. Frage, wie es sich fühlt, wie sein Tag war und erlaube ihm auch mal traurig oder wütend zu sein. Es muss den Umgang mit seinen Gefühlen erst noch erlernen. Wenn es weiß, dass es zu Hause trotzdem geliebt wird und geborgen ist, wird diese starke Bindung zwischen euch und eurem Kind auch in Zukunft nicht reißen.
  • Gib ihm Hilfestellung dabei, wie es zukünftige Situationen besser meistern kann. Wenn es z. B. beschimpft wird, kann es einfach mit „selber Froschauge“ oder Ähnlichem antworten. Es geht nicht darum unser Kind aufzustacheln und es dazu zu bringen verbal oder körperlich anzugreifen. Nein, aber es hat das Recht sich zu verteidigen. Weihe gegebenfalls die Erzieher und Lehrer ein, aber nur soweit, dass dein Kind sich nicht von dir verraten fühlt. Sobald die Angreifer nämlich merken, dass ihre Sticheleien keinen fruchtbaren Boden finden, hören sie eventuell auf, denn es macht ihnen weniger Spaß. Es kann auch helfen dein Kind komplett aus der Situation herauszunehmen und über einen Kita- oder Schulwechsel zu sprechen. Je früher du reagierst, desto besser.

Was du noch machen kannst, um das Selbstvertrauen deines Kindes stärken kannst erfährst du in unserem Beitrag: „Mama, ich kann das nicht!“ – Selbstvertrauen aufbauen.

Warum Kinder nicht abgeschoben werden wollen

Einen Abend mal für sich haben ist wichtig für Eltern und auch die Großeltern freuen sich über den Besuch ihrer Enkelkinder. Wenn dein Kind aber andauernd zu Freunden und Verwandten abgeschoben wird, kann eure Eltern-Kind-Beziehung Schaden nehmen. Warum? Dein Kind fühlt sich wohl möglich abgelehnt. Es stört eure Zweisamkeit, macht euch Umstände und entwickelt dadurch ein schlechtes Gewissen. Auch wenn Spieletage bei Oma und Opa mit viel Freude und Süßkram verbunden sind, sie ersetzen nicht die Liebe der Eltern. Die schönen Kindheitserinnerungen an unbeschwerte Sommertage in Omas Garten können sich schnell mit schlechten Gefühlen vermischen, sobald die Besuche Überhand nehmen. Wir als Eltern sind und bleiben immer die wichtigsten Bezugspersonen für unser Kind. Das Abnabeln von den Eltern ist eine Aufgabe, die unsere Kinder selbst übernehmen sollten, und zwar nicht schon in so jungen Jahren. Nehmen wir ihnen diese Entscheidung ab, leidet ihr Selbstvertrauen, weil sie kein Mitbestimmungsrecht haben. Auch Bestechungen mit Spielsachen machen es nicht besser, denn materielle Dinge können Liebe und gemeinsame Zeit nicht ersetzen.

Der Teddy oder die neue Puppe werden unserem Kind immer als Symbol dafür in Erinnerung bleiben, dass wir nicht da waren.

 

Warum es wichtig ist, dass dein Kind eigene Entscheidungen trifft

Vollgestopfte Kinderzimmer findet keiner großartig. Das ganze Spielzeug liegt überall rum und wir befürchten, dass unser Kind verlernt bescheiden zu sein und Dinge wert zu schätzen. In unserem Ordnungsdrang landet so manches Spielzeug im Altkleiderkarton, auf dem Flohmarkt oder geht zu den Nachbarskindern. Aber hast du dein Kind vorher gefragt, ob es sich von der einarmigen Puppe oder dem Baby-Duplo-Auto trennen mag? Meist nicht. Dabei nehmen Kinder uns solch ein Vergehen sehr übel und erinnern sich auch Jahre später daran, dass wir die geliebten Spielsachen weggeworfen haben. Dein Kind verbindet mit seinem Spielzeug Gefühle. In seinen Kinderaugen ist das verfilzte Fell des Teddy nicht unbedingt ein Markel, es sind Spuren von gemeinsamen Abenteuern. Frage deinen Liebling das nächste Mal, ob es sich von einigen Sachen trennen kann, um z. B. der kleinen Cousine eine Freude zu machen oder um durch den Flohmarktverkauf Geld für ein neues Spielzeug zu haben, das bereits auf der Geburtstagswunschliste steht. Mit solchen Vereinbarungen kann unser Kind umgehen und lernt dadurch auch den Umgang mit Geld und Dinge wert zuschätzen.

 

Wieso Eheprobleme nicht dein Kind belasten sollten?

Viele Beziehungen leiden unter den gegenseitigen Erwartungen und den alltäglichen Belastungen, die Beruf und Elternschaft mit sich bringen. Wenn eine Partnerschaft nur noch der Kinder willen geführt wird und Eltern oft miteinander streiten, geht das unserem Kind oft an die Substanz. Ohne genau zu wissen, worum es geht, nehmen Kinder in solchen Situationen die Schuld oft auf sich oder provozieren die Eltern zusätzlich, um zu bewirken, dass sie „gemeinsam“ sauer auf es sind. Ein schlechtes Gewissen wird zum ständigen Begleiter unseres Kindes und anstatt, dass wir ihm ein stabiles und schönes Familienumfeld bieten, ziehen wir es in unsere Streitigkeiten mit hinein. Das Zuhause wird zu einem Ort, wo sich unser Kind unwohl fühlt. Dabei ist genau dies, das Letzte was wir möchten. Besser ist es sich als Eltern bewusst Zeit für sich zu nehmen und dann über Probleme zu sprechen, ohne dass unser Kind anwesend ist. Es sind Erwachsenenprobleme, die unser Kind noch nicht belasten sollten.

Es liebt Mama und Papa und sollte sich nicht entscheiden müssen.

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