Wer mit Kindern zusammenlebt, ist sicher schon daran gewöhnt, in allen Ecken der Wohnung, in Taschen oder im Auto, auf Spielsachen zu stoßen. Trotzdem passiert es recht häufig, dass Eltern gedankenverloren oder noch schlaftrunken durch die Räume tappen und barfuß auf einen harten Baustein treten.

Verärgert und mit schmerzendem Fuß, wäre es nicht verwunderlich, würde dem Kind dann der Satz: „Hier sieht es ja aus wie im Schweinestall, räum das sofort auf!“ zugerufen. Klingt erstmal vielleicht ganz normal, geht aber besser. Dafür braucht es jedoch ein bisschen Übung und ein Bewusstsein dafür, was in unseren Worten mitschwingt.

Im erwähnten Satz, der wahrscheinlich in einem scharfen Ton ausgesprochen wurde, steckt natürlich der Ärger über die Unordnung, aber auch ein Urteil und eine Aufforderung.

Wertschätzend kommunizieren

Der Psychologe Dr. Marshall B. Rosenberg prägte vor einigen Jahrzehnten den Begriff der „gewaltfreien Kommunikation“, welche auch als wertschätzende Sprache bezeichnet wird. Pädagogische Einrichtungen, aber auch Projekte, die sich mit Gewaltprävention beschäftigen, haben diese bereits zur Anwendung gebracht bzw. deren Wirkung und Lernbarkeit ausprobiert.

Für unser Beispiel wäre eine Antwort, nach dem Prinzip der wertschätzenden Sprache, wie folgt denkbar:

„Sind das deine Spielsachen, die hier liegen? Ich möchte, dass sie unversehrt bleiben und sich niemand daran verletzt. Würdest du sie deshalb bitte in dein Zimmer räumen?“

Darin stecken fast alle Ebenen, die für gewaltfreie Kommunikation gelten:

  • Beobachtung ohne Bewertung
  • Gefühle wahrnehmen
  • Bedürfnisse erkennen
  • Eindeutige Bitte formulieren.

Dabei geht es nicht darum, eine Aufforderung „besser“ zu vermitteln, sondern darum, einen liebevollen und empathischen Umgang zu fördern.

Kinder wollen verstehen

In der oben genannten Aussage steckt neben der Bitte auch die Erklärung, welche dem Kind die Chance gibt zu verstehen, warum es etwas tun soll. Damit die Spielsachen ganz und alle Familienmitglieder unverletzt bleiben, ist es nötig die Sachen zu verstauen. Nämlich dort wo man sie logischerweise aufbewahrt und mit einer Begegnung rechnet.

Die Erläuterung hilft dem Kind zu verstehen, was genau es tun soll. Hier knüpft die Vermeidung negativer Sprache an. Eine positive und klare Aussage, statt einer Verneinung, hilft dem Kind zu verstehen, was genau zu tun ist.

Kinder fürs Leben festigen

Kinder kommen nicht auf die Welt um zu funktionieren. Es sind Individuen, die auf ihr späteres Leben vorbereitet werden. Wer als Erwachsener seine eigenen Bedürfnisse kennt und seine Gefühle einzuschätzen weiß, steht gefestigter im Leben, ist reflektiert sowie konfliktfähig. Diese Selbstwahrnehmung können Eltern mit einer wertschätzenden Kommunikation bei ihrem Kind fördern.

Wie sollten sich Eltern nun bei Unstimmigkeiten mit ihren Kindern verhalten? Sie können von Anfang an hinterfragen, was genau das Kind in bestimmten Momenten bewegt oder verzweifeln lässt. So finden Eltern auch während Bock- und Trotzphasen einen leichteren Zugang zu ihrem Kind. Konkret heißt das, ein schreiendes Kind, was sich auf den Boden wirft, nicht zu ignorieren, damit es von alleine aufhört, sondern es in seiner Lage ernst zu nehmen. Häufig reagiert der Nachwuchs mit noch mehr Lautstärke, wenn wir uns einfach umdrehen und zum Gehen ansetzen. Eine Umarmung und die Frage, was genau das Kind jetzt möchte, helfen einen Kompromiss zu finden oder die Situation aufzulösen. Zudem stärkt es die Beziehung und Bindung zwischen Kind und Eltern. Übrigens, Trotz ist ein Ausdruck von „gehört, verstanden und ernst genommen werden“ wollen.

Situationen und Menschen urteilsfrei zu begegnen, stärkt Offenheit und Toleranz gegenüber der Umwelt.

Die Dinge nur wahrzunehmen, statt zu werten, müssen selbst Erwachsene üben. Denn nahezu automatisch und sekundenschnell bilden wir uns eine Meinung, wenn uns etwas oder jemand zum ersten Mal begegnet.

Ähnlich wie bei allen anderen Dingen, die Kinder von Anfang an lernen und deshalb als selbstverständlich hinnehmen, lohnt sich auch hier, eine wertfreie und wohlwollende Einstellung zu vermitteln.